Chemnitzer Garten-Gespräch

Chemnitz im Grünen

In Chemnitz gibt es etwa 200 Kleingartenvereine - und damit fast 15.000 Kleingärten. Doch nicht nur das, hier kann man auch einen versteinerten Wald, der von einer mehr als 291 Millionen Jahre alten Natur-Geschichte zeugt, bewundern. Beides lohnt sich, bei einem Besuch in Chemnitz zu entdecken.

Wir haben Dr. Thorid Zierold vom Museum für Naturkunde und Suzanne Krauß, die Geschäftsführerin des Stadtverbandes Chemnitz der Kleingärtner e.V., zum Dialog eingeladen und sie gefragt, was man gesehen haben muss, wenn man in Chemnitz die Natur erobern will.

Zunächst interessiert uns, wo für beide jeweils der grünste Ort der Stadt ist.

Thorid Zierold: Für mich ist der schönste Ort in Chemnitz in Bezug auf die Natur der Pfarrhübel. Von dort aus eröffnen sich Blicke in die Stadt und vielseitige Wanderwege. Ich bin ebenso gerne im Küchwald. Das ist für mich im übertragenen Sinne der grünste Ort: ein Ort der Hoffnung. Dort treffen Menschen aller Generationen aufeinander und man kann in der Natur aktiv sein.

Suzanne Krauß: Für mich ist der grünste Ort in Chemnitz natürlich mein eigener Garten - aber ich bin auch begeisterte Wanderin und deshalb viel im Zeisigwald oder im Stadtpark unterwegs.

 

Wir möchten weiter wissen: Gibt es denn auch Parallelen zwischen Kleingärten und dem Museum für Naturkunde?

Thorid: Ja, die gibt es. Mir ist erst letzte Woche eine Verbindung aufgefallen: die Kleingartenanlage „Gesundheit“ besitzt einen Gründungsstein, der in versteinerte Hölzer eingebettet ist - da war mein erster Gedanke, dass wir zu diesem Verein und den Gründungsmitgliedern Kontakt aufnehmen sollten. Zudem arbeiten wir mit Imkern und dem Saatgutgarten zusammen. Die Vorgänge in der Natur verständlich zu erklären, ist das Anliegen unserer Museumspädagogin. Hier freuen wir uns über weitere Kooperationen. Unser Anliegen ist es, die Besucher zu motivieren, mit offenen Augen durch die Landschaft zu gehen.

Suzanne: Der Kleingarten hat natürlich einen besonderen Macher-Charakter, er ist entstanden, weil man sich ernähren musste. Vieles ist historisch gewachsen und jetzt erkennt man einen Trend hin zum Experimentieren. Viele Kleingärtner versuchen sich in der Anzucht besonderer, alter Sorten. Wir merken, dass da auch ein großer Austausch stattfindet.

Wie erlebt ihr die Chemnitzer Natur und habt ihr Beispiele, wo sich die Natur auch im Stadtbild versteckt?

Thorid: Für mich als Naturwissenschaftlerin ist Natur ein riesiger Summenbegriff. Das sind Gesteine, Flüsse, Wiesen, Hänge, Tiere, Pflanzen und noch vieles mehr! In Chemnitz findet der Besucher vulkanische Reste aber auch eiszeitliche Bezüge. Es gibt einzigartige Brutvögel zu beobachten - unterschiedlichste Spechtarten nisten gewissermaßen mitten in Chemnitz. Für mich persönlich sind die Gesteine rund um den Vulkanausbruch vor 291 Millionen Jahren besonders spannend – darunter der Porphyrtuff. Einige Häuser sind ganz daraus hergestellt, aber auch viele Fensterlaibungen oder Türeinfassungen! Der Zeisigwald ist das Eldorado für alle, die nachvollziehen wollen, wie man hier dieses Gesteine abgebaut hat. Mehr als 400 Steinbrüche gab es im Wald. Das finde ich immer wieder beeindruckend.

Suzanne: Bei mir ist es zweierlei: zum einen bin ich gerne im Garten, zum anderen wandere ich gerne und bin viel mit dem Rad unterwegs. Es gibt den Chemnitzer Rundwanderweg - den man sowohl in Teilen als auch im Ganzen abwandern kann. Man ist von Chemnitz aus sofort im Grünen. Ob am Fluss entlang oder auch durch die Kleingärten hindurch! Der Stadtverband ist letztes Jahr 100 Jahre alt geworden und die Gärten lagen früher außerhalb der Stadt. Jetzt ist dies ein grünes Band, das man durchlaufen kann. Es entstehen dort Blumenwiesen, Streuobstwiesen, es gibt Bänke für Spaziergänger - es blüht und grünt und summt und brummt einfach!

Thorid: Für mich ist eine Kleingartenanlage wie die Welt im Kleinen - verschiedenste Charaktere, Interessen, persönliche Hintergründe und Neigungen treffen aufeinander!

Suzanne: Ja, es gibt auch ein schönes Miteinander in Chemnitz. Der Verein „Direkt vom Beet e.V.“ hat sich letztes Jahr mit dem Ziel gegründet, das Obst, das in den Gärten übrig ist, an Interessierte zu verteilen, abzugeben oder zu verkaufen. Der Verein schafft dafür eine Plattform und vernetzt die Macher. Das ist eine tolle Idee, man weiß, woher das Essen kommt und kann sich noch dazu mit neuen Menschen aus der eigenen Stadt austauschen. Das finde ich sehr schön.

Gibt es eigentlich einen besonderen Kleingarten, den man als Besucher nicht verpassen sollte?

Suzanne: Da empfehle ich die Anlage „Sonnige Höhe“, die hat im Bundeswettbewerb eine Goldmedaille gewonnen. Eine der schönsten Gartenanlagen Deutschlands befindet sich also hier in Chemnitz. Jedoch haben wir in Chemnitz auch kleinere Wettbewerbe unter den Vereinen und da lohnt sich immer mal ein Blick in die Gärten. Es gibt auch Schulgärten in unseren Anlagen, Tafelgärten, studentische Gärten oder Seniorengärten. Da trifft man immer jemanden für einen Austausch über den Gartenzaun hinweg.

Thorid: Das Schlagwort Schulgarten, ist ein guter Impuls für zukünftige Projekte!

Erste gemeinsame Ideen werden gesponnen und wir wagen gemeinsam einen Blick über den Tellerrand: Chemnitz und die Region - was verbindet in Sachen Natur?

Thorid: Ich denke da zuerst an die Wasserwege, an die Mulde, die Würschnitz, die Zwönitz, den Kappelbach. Aber auch die historischen Handelswege verbinden Chemnitz mit der Region. Die Salzstraße zum Beispiel oder die Wege, auf denen die Mineralien ihren Weg fanden. Häufig sind diese Wege heute schöne Wanderwege - von Chemnitz nach Olbernhau zum Beispiel geht das sehr gut. Der Reichtum an Mineralien ist besonders gut in Richtung Marienberg und Wolkenstein nachzuvollziehen. Ganz sicher können die Einheimischen dort viele Geschichten über den geschätzten Amethyst erzählen.

Suzanne: Ich denke auch, Chemnitz sehen viele als graue Industriestadt - aber man ist immer in fünf Minuten im Grünen. Man ist schnell im Umland oder im Erzgebirge und kann auch dort tolle Touren unternehmen.

 

Wir nähern uns dem Thema Kulturhauptstadt: In der Bewerbung wird beschrieben, dass ein Ziel darin besteht, Menschen nicht in Zielgruppen einzuteilen, sondern sie in ihren Leidenschaften zu vereinen. Wie sieht es bislang aus - ist das schon gelebte Praxis?

Suzanne: Gerade beim Stadt-Wandern würde ich das bestätigen: alle, die mitwandern haben richtig Lust darauf und das ist schön. Man lernt dadurch so viel kennen und sieht Ecken, die man sonst nicht entdeckt hätte. In Chemnitz hat man trotz allem kurze Wege und niemand drängt sich auf. Aber wenn man fragt, erklärt einem immer jemand etwas. Wir wanderten mal in einer Gartenanlage mit Aussicht auf die Autobahn und plötzlich hörten wir jemanden hinter einer Hecke, der sagte: „Bei guter Sicht kann man hier den Fichtelberg sehen!“ Diese Neugierde und die stetigen Überraschungen in der eigenen Stadt finde ich sehr spannend.

Thorid: Für uns als Museum ist das ein toller Gedanke und immer wieder Anreiz in Ausstellungen.  „Rock Fossil – Ja, es ist Liebe“ – eine Sonderausstellung über Gesteine, die nach Rockstars benannt worden sind, hat über die angesprochene Leidenschaft funktioniert. In Bezug auf die Bewerbung als europäische Kulturhauptstadt liegt uns das Projekt „Parade der Apfelbäume“ besonders am Herzen. Das Thema verbindet! Wir als Museum laden zum Mitdenken ein, welche Musik etwa im Apfelbaum klingt? Wir können uns auch vorstellen, dass uns die Kleingärtner, die Partnerstädte oder die bisherigen Kulturhauptstädte ihre regionale wie alte Apfelsorte schicken. Daraus kann eine Galerie der Äpfel entstehen. All das und noch viel mehr ist möglich – ich denke, das ist im wahrsten Sinne des Wortes befruchtend. Es geht darum, sich der bestehenden Werte zu besinnen, miteinander neue, kreative Lösungen zu finden und unkompliziert Dinge anzugehen.

 

Wir diskutieren noch ein bisschen weiter und gelangen zum Thema Gesundheit und Natur.

Thorid: Wir brauchen die Klänge der Natur, um abzuschalten und regenerieren zu können. Hierzu forschen Wissenschaftler, um die Hintergründe und Ursachen beleuchten zu können. Natur hat nicht nur einen ideellen sondern auch einen monetär messbaren Wert!

Suzanne: Nicht umsonst gibt es den alten Satz: Der beste Weg zur Gesundheit ist der Weg in den Garten. Das ist einfach Erholung pur - mitten in der Stadt. Ob aktiv als Gärtner oder auch passiv als Wanderer.

© Tim Plagemann/Begehungen e.V.

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